© Copyright 2023-24
Goethegesellschaft Ilmenau-Stützerbach e.V.
♥ Ilmenau kreativ erleben
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Ehemals: Förder- und Freundeskreis Goethemuseen und Goethegesellschaft Ilmenau-Stützerbach e.V.
Von der dichterischen Sprache Goethes angerührt zu werden, ist wohl die erste der Gemeinsamkeiten, die Menschen in der Goethe-Gesellschaft und in ihren Ortsvereinigungen zusammenführt. Ganzheitlichkeit im Verständnis sowie in der Behandlung von Natur und Gesellschaft ist ein weiterer Aspekt, der in einer vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt angetriebenen Welt besonderes Gewicht für eine Universitätsstadt besitzt. Im Zusammenhang damit steht die herausgehobene Bedeutung, die Goethes sozialem Engagement bei seiner amtlichen Tätigkeit gerade in Ilmenau zukommt. Diese Tätigkeit und seine mit Leidenschaft betriebenen Naturstudien haben sich hier in einmaliger Weise wechselseitig befruchtet, was auch mannigfachen Ausdruck im dichterischen Werk gefunden hat.
Vor einem solchen Hintergrund ist das Wirken der Ilmenauer Ortsvereinigung der internationalen „Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V.“ zu sehen. Zunächst soll die letztere in ihrer Rolle als eine „Muttergesellschaft“ vorgestellt werden. Dabei und bei den nachfolgenden Ausführungen zum Hauptthema ergeben sich Aspekte und Illustrationen zur deutschen Spal-tung und zur Wiedervereinigung. Insoweit wird hier auch zum Umfeld des Themas „10 Jahre Wende in Ilmenau und Umgebung“ beigetragen, das vom Komitee „Goethestadt Ilmenau 1999“ für eine Ausstellung im Herbst gewählt wurde.
Zahme Xenien IV
Die Goethe-Gesellschaft in Weimar als Muttergesellschaft
1885 konstituierte sich – im unmittelbaren Gefolge der Übergabe des Erbes der Familie Goethe in staatliche bzw. großherzogliche Obhut – die Goethe-Gesellschaft in Weimar, „die Gelehrte, Goethe-Forscher vor allem, aber auch Fach-vertreter anderer Disziplinen vereinigte, Künstler und Schrift-steller sowie viele Freunde und Liebhaber des Goetheschen Werkes“ 1. Ortsvereinigungen waren im ersten Statut nicht vorgesehen, bildeten sich aber ab 1917, zunächst in größeren Städten. Ihr vom Vorstand anfangs mit Vorbehalten betrach-teter „demokratischer Impetus“ bewährte sich, und die 1928 erneuerte Satzung bezeichnete ihre Gründung als erstrebenswert zur Förderung der Gesamtgesellschaft, der die Mit-glieder der Ortsvereinigungen angehören mußten.
Nach dem Krieg waren es zunächst diese Vereinigungen, die die Arbeit der Gesellschaft weiterführten. Die für 1951 ge-plante Hauptversammlung mußte vertagt werden, da für den Präsidenten des Kulturbundes apodiktisch ein Sitz im Vor-stand verlangt wurde. Auf der ersten Hauptversammlung nach dem Krieg im Jahre 1954 sagte der Präsident Dr. Wachsmuth (aus West-Berlin): „Es ist die Aufgabe, das Bewußtsein der Einheit Deutschlands wachzuhalten und zu pflegen mit dem Mittel der geistigen Kraft und Verbundenheit, die von Goe-thes Leben und Werk … ausgehen.“ 2
Daraufhin wurde die Goethe-Gesellschaft vor dem ZK der SED als eine der „Agenturen der westlichen Ideologie bei uns“ attackiert. Dennoch gelang es, im Unterschied zu allen anderen literarischen Gesellschaften in Deutschland, die Spaltung zu verhindern und wenigstens die Hauptversammlungen gemeinsam durchzuführen. Dazu trug die Entscheidung bei, „sich ostentativ international zu öffnen“, wie der Weimarer Prof. Helmut Holtzhauer als Präsident im Goethe-Jahrbuch 1972 schrieb. Seine Nachfolge trat im Jahre 1974 der eben-falls in Weimar tätige Prof. Karl-Heinz Hahn an, der vielen ilmenauer Goethefreunden durch eine Reihe hiesiger Vorträge unvergeßlich ist. Er verstarb unerwartet im Januar 1990.
Aus den Turbulenzen der Folgezeit hat Prof. Werner Keller als der bis heute tätige Präsident die Gesellschaft in eine neue, fruchtbare Phase übernationalen Wirkens geführt. Die Förderung von Goethe-Gesellschaften sowie von Stipendiaten aus dem früheren Ostblock und der sogenannten Dritten Welt mit unermüdlich beschafften Mitteln hat dabei großes Gewicht. Auch innerhalb des Landes wurde und wird in schöner Selbstverständlichkeit und Partnerschaft umfangreiche Unterstützung gegeben, soweit erforderlich. Dies gilt sowohl für alljährliche Zuweisungen an Ortsvereinigungen aus Weimar als auch für individuelle Leistungen wie honorar- und oft auch spesenfreie Vorträge in den neuen Bundesländern.
Was zusammen gehörte, war schon vorher weitgehend vereint und konnte nun durch wechselseitige Besuche der Ortsvereinigungen und den Austausch von Vortragenden vollends zusammenwachsen. Die Voraussetzungen waren damit un-gleich günstiger als bei anderen Gesellschaften, die sich erst zusammenraufen mußten oder gar durch den Beitritt von Mit-gliedern aufgelöster DDR-Verbände zu den altbundes-deutschen erweitert wurden, wie das bei wissenschaftlichen Gesellschaften die Regel war.
Die Anzahl der deutschen Ortsvereinigungen ist auf etwa 50 angewachsen. In der Satzung der Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V., die heute etwa 5000 Mitglieder hat, wurde 1991 der schon seit längerem übliche Modus festgeschrieben, daß es wünschenswert, aber nicht mehr zwingend ist, zugleich in dieser „Muttergesellschaft “ und in einer Ortsvereinigung ein-geschrieben zu sein. Die Anzahl der Mitglieder in den lokalen Vereinigungen ist dabei deutlich höher; in Kassel hat sie kürzlich erstmals die 1000 überschritten.
In der Regel alljährlich finden die für die lokale Arbeit sehr wichtigen Treffen der Ortsvorstände statt, die im Goethe-Jahrbuch dokumentiert sind, ebenso wie die im zweijährigen Rhythmus in Weimar stattfindenden Hauptversammlungen. Das Verhältnis zwischen den örtlichen und der Weimarer Gesellschaft sowie deren internationaler Charakter wird in letzter Zeit wieder zunehmend diskutiert. Für die ilmenauer Orts-vereinigung, die heute zum „Ilmenauer Kulturverein e.V.“ ge-hört, gibt es kritischere, am Ende dieses Berichtes genannte Fragen.
Die ersten Jahre der Ilmenauer Ortsvereinigung
Am 1. Dezember 1963 gründete sich in festlichem Rahmen die ilmenauer als die 25. der Ortsvereinigungen der Goethe-Gesellschaft in Weimar. Vorsitzender wurde Dozent Dr.rer.oec. Walter Burian, Prorektor für Studienangelegen-heiten an der TH Ilmenau. Mit im Gründungsvorstand waren Getrud Möller, Leiterin der 1962 eröffneten Goethe-Gedenkstätte Stützerbach der NFG, sowie der Direktor der Volks-hochschule und Kreisvorsitzende des Kulturbundes Willi Botz als stellvertretender Vorsitzender. Er war seit der ersten Nachkriegzeit für nahezu 5 Jahrzehnte gewissermaßen das kontinuierliche persönliche Element der Ilmenauer Goethe-Aktivitäten.
Das Arbeitsprogramm des Vorstands beinhaltete:
Besonders solche Beiträge waren bereits in den Vorjahren durch die Goethefreunde im Kulturbund unter großen An-strengungen erbracht worden. Sie wurden nun mit der Gestal-tung des Schwalbensteins fortgesetzt. Zu den an Erinne-rungsstätten angebotenen Verkaufsobjekten erfolgten alsbald Abstimmungen mit Weimarer Institutionen und einem Gremium „Kampf gegen Kitsch“. Derartige, bis heute wichtige Bemühungen sollen in diesem Bericht stärker berücksichtigt werden als die „normale“ Ver-anstaltungstätigkeit (einschließlich gemeinsamer Theaterfahr-ten und geselliger Ausflüge), die im Goethe-Jahrbuch für jede Ortsvereinigung alljährlich mit ihren Themen sowie mit den Namen der Vorsitzenden und ihrer Stellvertreter 3 enthalten ist. Im langjährigen Mittel wurden 5 bis 6 öffentliche Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt.
Lediglich besonders herausgehobene Ereignisse sowie Ver-anstaltungsreihen, die sich über längere Zeiträume erstreck-ten, sollen im folgenden mit aufgeführt werden. Hier sind auch die Vorträge und Führungen für zahlreiche auswärtige Gäste – z.B. Urlauber oder Kursteilnehmer und Kollo-quiumsgäste der TH – zu nennen, die über viele Jahre von Willi Botz sowie besonders von Dr. Karl Gräf und Dr. Jürgen Apel, späteren stellvertretenden Ortsvorsitzenden, zusätzlich zu ihren Veranstaltungen für die Ortsvereinigung durchge-führt wurden.
Zum Ortsvorstand gehörte alsbald auch der Kreissekretär des Kulturbundes Karl Wagert. Ihm folgten später Siegfried Bor-chert und zuletzt Christel Biela als sehr aktive und koopera-tive Bindeglieder zu dieser Massenorganisation, die eigentlich auf dem Kultursektor allein zugelassen war 4.
Die Mitgliederzahl der Ortsvereinigung betrug unmittelbar nach der Gründung 72. Im Folgejahr stieg sie nach intensiver, aus Weimar initiierter Werbung, die „nicht zuletzt in einer gesamtdeutschen Gesellschaft von hoher politischer Bedeu-tung“ war 5, auf 120. Später, als der Terminus „gesamt-deutsch“ in der DDR verpönt wurde und die Goethe-Gesellschaft eher eine Nischenfunktion einnahm, pendelten sich unsere Mitgliederzahlen auf zweistellige Werte ein.
Ein erster Höhepunkt der Veranstaltungstätigkeit war im Juni 1965 ein Vortrag des Präsidenten Prof.Dr.Dr.h.c. Wachsmuth über „Das Jugendalter und Goethe“. Wegen des westberliner Wohnsitzes des Redners waren dafür erhebliche Barrieren zu überwinden. Im darauf folgenden Jahr hielt Prof. Wachsmuth einen Festvortrag zum XI. Internationalen Kolloquium der TH Ilmenau. Initiator war der Dekan der Fakultät Starkstromtechnik, Prof.Dr.-Ing. Walter Furkert, seit September 1965 Vorsitzender der Ortsvereinigung.
Die Umbildung des Vorstands, dem nun auch Dr. Gräf und Herr Neuendorf, langjähriger Kustos im Jagdhaus Gabelbach, angehörten, war durch eine Berufung des verdienstvollen Gründungsvorsitzenden Dr. Burian nach Berlin notwendig geworden. Walter Furkert führte bis 1981 den Vorsitz und gehörte dem Vorstand insgesamt 25 Jahre an, bis er 1990 im Alter von 82 Jahren verstarb. Als erstes bewog er seinen österreichischen Kollegen und Goethefreund Fritsch, mit ilmenauer Assisten-ten und Studenten eine geoelektrische Lokalisierung des hi-storischen Schachtes „Neuer Johannes“ vorzunehmen 6, den Goethe 1784 feierlich begonnen hatte. Nach dem Scheitern des Bergbauunternehmens war der Schacht 1814 abgewölbt und darüber verfüllt worden. Die gelungene Lokalisierung wurde wenig später „recht drastisch bestätigt“: Am 22. Dezember 1966 entstand durch Einbruch eine sogenannte Pinge, die sich teilweise mit Wasser füllte und alsbald umzäunt wur-de. – Jahrelang bemühte man sich bei den Behörden intensiv und vergeblich um eine „Sanierung dieses Schachtes …, die natürlich bedeutende Mittel erfordert“ 6 und die heute, wo zu viele stillgelegte Bergwerke um zu geringe Mittel kon-kurrieren, kaum mehr zur Debatte steht.
Die siebziger Jahre
Als ein weiteres Projekt wurde der 19 km lange Wanderweg „Auf Goethes Spuren“ im Raum Ilmenau begonnen, gemein-sam mit den NFG Weimar als dem staatlich verantwortlichen und wissenschaftlich zuständigen Träger. Von ihm kamen u.a. die Texte zu einem Faltblatt und zur Führungsschrift 7 sowie die Schilder, während die Bündelung der Aktivitäten bei der ilmenauer Ortsvereinigung verblieb. Viele Arbeiten vor Ort wurden wiederum von Studierenden der TH aus der Furkertschen Lehrgruppe geleistet, die den 1971 in Grundzügen fer-tigen Weg “ in persönliche Pflege“ nahmen (und damit die Selbstverpflichtungen der FDJ-Gruppen sinnvoll gestalteten). Auch das Goethe-Häuschen auf dem Kickelhahn, dem zum wiederholten Male der Verfall drohte, wurde einbezogen.
Weitere Beteiligte an diesem „Gemeinschaftswerk“, wie es zutreffend genannt wurde, kamen vor allem vom Kulturbund und von der Freiwilligen Feuerwehr. Diese stellte auch „schwere Technik“ zur Verfügung, nachdem die Erdarbeiten zunächst mit Gartengeräten der Ortsvorstandsmitglieder durchgeführt wurden. Von den NFG ist besonders die Leiterin des Naturwissen-schaftlichen Kabinetts im Goethe-Nationalmuseum, Marie-Luise Kahler, als der gute Geist des Unternehmens zu nennen. Sie machte auch die Weimar-Exkursionen von ilmenauer Stu-dierendenden, hauptsächlich aus den Lehrgruppen der je-weiligen Ortsvorsitzenden, durch ihre Vorträge und Führun-gen zu einem Erlebnis. Diese fanden von 1967 bis 1974 all-jährlich, danach aber nur noch vereinzelt (bis 1984) statt.
Nach fünfzehnjährigem Bestehen der Ortsvereinigung (im Dezember 1978) verfaßte der Vorsitzende einen zusammenfassenden, vierseitigen Bericht, der 1979 in 200 Exemplaren verteilt wurde. Beklagt wurde darin vor allem, „daß sich keine Seminargruppen mehr finden, die sich mit der Aneignung und Pflege des Goetheschen Erbes befassen, weil offenbar andere Themen einen höheren Rang hinsichtlich der Bewertung haben.“ Die Ursachen lagen z.T. wohl in der 1973 erfolgten Emeritierung von Prof. Furkert, vor allem aber in der Hochschulreform vom Ende der sechziger Jahre. Ein anderes Resultat dieser Reform, die Einführungswoche zum Studienjahresbeginn (kurz „Rote Woche“), wurde von der Ortsvereini-gung ab 1975 regelmäßig zu festlichen Veranstaltungen für die Studierenden genutzt.
Bereits mit dem ilmenauer Gründungsvorsitzenden begonnene, „gesamtdeutsche“ Beziehungen bestanden zur Ortsver-einigung Karlsruhe. Sie wurden über Jahre mit dem Aus-tausch von Schriften, Diapositiven und kleinen Weihnachts-gaben gepflegt.1976 fand eine Fahrt von 47 Karlsruher Mit-gliedern in unsere Gegend statt unter Leitung ihres Geschäftsführers, des ehemaligen ilmenauer Goethe-Schülers Hans Ewers. Prof. Furkert organisierte persönlich ein Treffen in Paulinzella, an dem auch weitere ilmenauer Vorstandsmit-glieder teilnahmen. Die Busfahrt führte dann zum Gabelbach und Kickelhahn. „Die Gedenkstätten in Ilmenau wurden nicht aufgesucht“, heißt es im Protokoll der nachfolgenden Vor-standssitzung lakonisch, und im 1979er Bericht konnte von solchen partnerschaftlichen Beziehungen keine Rede sein. Erst nach dem Mauerfall wurden sie durch den Austausch von Vortragenden fortgesetzt.
Die achtziger Jahre
Im Januar 1981 wurden im Rahmen der ersten Mitglieder-versammlung seit 1965, die in geselliger Form mit 32 Teil-nehmenden im Hotel „zum Löwen“ standfand, Veränderun-gen im Ortsvorstand vorgenommen. Prof. Walter Furkert und Willi Botz legten Vorsitz und Stellvertretung in jüngere Hän-de. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht und trotz ge-sundheitlicher Probleme verblieben sie aber erfreulicherweise im Vorstand, ebenso wie Siegfried Borchert und Dr. Karl Gräf. Letzterer ließ den Abend mit Wielands „Streit um des Esels Schatten“ ausklingen. (Solche geselligen Versammlun-gen fanden bis 1990 alljährlich im Januar statt.)
Als stellvertretender Vorsitzender konnte Dr. Jürgen Apel gewonnen werden, der bereits über mehrere Jahre als enga-gierter Goethefreund und Kreisvorsitzender des Kulturbundes häufig an den Vorstandssitzungen teilgenommen hatte. Seit Mitte 1980 gehörte der Verfasser dieses Beitrags, Prof. Heinrich Arnold, dem Vorstand an, dessen Vorsitz er nun antrat. Als Physikochemiker war er beruflich unter den Ortsvorsit-zenden, wie schon sein Vorgänger, eine Ausnahme, die wohlwollend akzeptiert wurde, auch im Hinblick auf die besondere Rolle von Naturwissenschaft und Technik für „Goe-the und Ilmenau“. Diese Thematik bildete jeweils den Einführungsteil von Vorträgen zur aktuellen Aspekten der goethe-schen Naturwissenschaft, die er zunächst in Ilmenau und ab 1982 auch bei auswärtigen Ortsvereinigungen hielt 8.
Die Ortsvereinigung Bamberg führt im Juli 1981eine Tagesfahrt „auf Goethes Spuren“ nach Ilmenau durch. Ihr Vorsit-zender, Dr. Ernst Schneider, kündigte dies unserem Ortsvor-stand mit dem lebhaften Wunsch nach einer Begegnung in Il-menau an. Nachdem die SED-Kreisleitung ebenso lebhaft ihre Präsenz gefordert hatte, wurde das Treffen der 50 Bamberger mit unseren Vorstandsmitgliedern zum Parkplatz Gabelbach verlegt, von wo in zwanglosen Grüppchen und ohne ungebe-tene Gäste auf den Kickelhahn gewandert wurde. So began-nen gute Beziehungen, die bis heute andauern.
1984 jährte sich zum 200. Mal der Beginn des bereits erwähn-ten Schachtes „Neuer Johannes“. Dr. Wagenbreth aus Freiberg, Autor der NFG-Broschüre „Goethe und der Ilmenauer Bergbau“, hatte den Ortsvorstand zu einem Gedenkstein angeregt, der unter großer Beteiligung vor der Einbruchspinge eingeweiht wurde. Heute ist der Stein in den Goethe-Wanderweg einbezogen 9. Zur Bergbau-Thematik erschien als 65. Band der „Schriften der Goethe-Gesellschaft“ das grundlegende Werk des Bergwerksdirektors i.R. Kurt Steen-buck 10, basierend auf seiner clausthaler Dissertation von 1987. Es wurde vom Autor 1995 in Ilmenau vorgestellt, nachdem er in unserer Ortsvereinigung bereits drei Jahre zu-vor einen faszinierenden Vortrag zum Umfeld gehalten hatte.
Als ein neuer Akteur beim Goethe-Wanderweg wurde in den achtziger Jahren die Goethe-Oberschule wirksam, vor allem dank der Mitwirkung von Dr. Apel als Lehrer. Er legte selbst mit Hand an, wie auch unser Vorstandmitglied Claudia Fiala, Leiterin des ilmenauer Museums. Als neue Kreissekretärin des Kulturbundes kam 1984 Christel Biela zum Vorstand hinzu. Sie engagierte sich außerordent-lich für die aufwendige Restaurierung der Alten Försterei, die 1987 bezogen werden konnte. Damit standen, auch für unsere Ortsvereinigung, nicht nur freundlichere Beratungsräume als im früheren Kreissekretariat des Kulturbundes (Marktstraße 16) zur Verfügung, sondern außerdem historische Veranstal-tungsräume, zusätzlich zu denjenigen im Amtshaus.
Im September 1989 veranstaltete die Ortsvereinigung an der TH im Rahmen der – schon etwas blassen – „Roten Woche“ einen musikalisch umrahmten Vortrag von Dr.Dr. Frank Schweitzer: „Und so lasset auch die Farben mich nach meiner Art verkünden. Goethes Farbenlehre und die heutige Naturwissenschaft“. Aus der Sicht dieser Wissenschaft, besonders der Ökologie, wurden neue kritische Töne angeschlagen, die bei den zahlreich erschienenen Studentinnen und Studenten lebhafte und vorherrschend zustimmende Reaktionen hervorriefen.
Aus anderer Sicht, aber auf ähnliche Weise kritisch war der wesentlich ältere Schriftsteller Hanns Cibulka, der erstmals am 27. Oktober 1989 in die Alte Försterei kam (und in den Folgejahren des öfteren wiederkehrte, stets ein den Oberen unbequemer Mahner). In klassischer Diktion und emotional fesselnd trug er aus seinem Sizilianischen Tagebuch „Nacht-wache“ vor und weckte ein Fernweh, das – wider Erwarten – in nicht allzu ferner Zeit erfüllt werden konnte. Zum offenen Fenster tönten die Lautsprecher der letzten, von der alten Ob-rigkeit einberufenen und ihr Kippen ankündigenden Großver-anstaltung herein. Für nicht wenige der in der Försterei Zu-sammengekommenen hatte schon vorher, am 20. Oktober, in der Jakobuskirche der öffentliche Neubeginn stattgefunden unter dem Leitmotiv „Suchet der Stadt Bestes“.
Die neunziger Jahre
Für die Ortsvereinigung war der Neubeginn mit von Auf-bruchsstimmung und Herzlichkeit getragenen Besuchen aus der alten Bundesrepublik verbunden. Andererseits hatte er mit seinen pluralistischen Möglichkeiten für neue Vereine sowie mit der allmählich abklingenden Euphorie divergierende Tendenzen, besonders auch für den Vorstand, zur Folge. In dieser Zeit übernahm Dr. Karl Gräf den stellvertretenden Vorsitz.
Ein erfreulicher Beginn unseres Austauschs mit der Goe-thestadt Wetzlar waren Vorträge von Herrn Porezag im Frühjahr und von Herrn Hedrich, dem Vorsitzenden der dortigen Ortsvereinigung, im Herbst 1990. Mit den Bambergern als „alten Bekannten“ wurde ein Treffen der beiden Ortsvereinigungen organisiert. Die früher alljähr-lich durchgeführte, aber nunmehr letzte Gabelbach-Veran-staltung im Mai war der Höhepunkt, und „alle waren begeistert“, wie Dr. Schneider schrieb. Als ein begehrter Redner kam er in der Folgezeit erfreulich oft nach Ilmenau. Beim ers-ten Vortrag gab’s zur Einstimmung Frankenwein aus mitge-brachten Bocksbeuteln. Er fand im August 1991 bei einer mehrtägigen, geburtstäglichen „goethe-party“ statt, die der „Ilmenauer Kulturverein e.V.“ unter vielfältiger Beteiligung organisierte. Dieser übergreifend konzipierte Verein war im Frühjahr ge-gründet worden und fand seine Heimstatt in der Alten Förste-rei, nachdem der ilmenauer Kulturbund, für den sich kein Vorsitzender mehr fand, seine Tätigkeit 1990 eingestellt hatte. Es bot sich an, die Goethegesellschaft in den Kulturverein zu integrieren, zumal erste Aufrufe keine genügende Mitgliederzahl zur Gründung einer eigenständigen Ortsverei-nigung als „e.V.“ zusammenbrachten.
Sowohl der Gründungsvorsitzende Detlev Wiertz, Direktor der Kreisssparkasse, als auch seine bei derselben Institution tätigen Nachfolger Frank Kettler und Bernward Ohlms unterstützten auf vielfältige Weise die Ortsvereinigung. Sie wurde durch den Zusatz „und Goethegesellschaft“ in den Vereins-namen einbezogen. Grundlegend waren und sind die Aktivitä-ten des 2.Vorsitzenden Klaus Waschke, der als vielseitiger und allzeit unangepaßter Künstler eine besondere Beziehung
zu „unserem“ Dichter hat und auch avantgardistische Ele-mente einbringt.
Das resultierende Spektrum an Veranstaltungen, zu deren Organisation Wilhelm Bekos ebenfalls vieles beiträgt, ist beson-ders mannigfaltig, wobei das Goethesche Werk in dem für ei-ne Ortsvereinigung üblichen Maße berücksichtigt wird. Als deren Sprecher und gewähltes Vorstandsmitglied fungiert Prof. Arnold, der allerdings seit Mitte der neunziger Jahre ei-nen Nachfolger sucht. Seine Vortragstätigkeit, die sich ab 1990 auch auf die alten Bundesländer erstreckte und den Aus-tausch förderte, nahm aus beruflichen Gründen 1995 ein vor-läufiges Ende.
Höhepunkte des Vereinslebens waren zwei (nicht auf die Mitglieder beschränkte) Italienreisen „auf Goethes Spuren“ 1994 und 1995, vorbereitet durch ausgezeichnete Dia-Ton-Vorträge von Dr. Strack aus Gießen. Die erhoffte Erhöhung der Mitgliederzahl, die bei 30 liegt, ergab sich jedoch nicht.
Gegenüber der in einer Goethestadt naturgemäß hohen Erwar-tungshaltung an den Verein ist die Bereitschaft zur Mitwir-kung und personellen Unterstützung gering. Einen Auftrieb läßt das Goethejahr ’99 erhoffen. Erfreulicherweise übernahm unser Ehrenmitglied Ministerialrat Dr. Wofgang Müller im städtischen Vorbereitungskomitee die Organisation und Ko-ordinierung der Veranstaltungen, über die im 2. Band dieser Festschrift berichtet wird.
Quelle: Heinrich Arnold
1 K.-H. Hahn, „Goethe-Gesellschaft und Gegenwart – Ein Versuch“, Goethe-Jahrb. Bd.103, Weimar 1986, S.11-30; s.a. S.398-402 mit dem Rechenschaftsbericht zum 100. Gründungstag der Gesellschaft.
2 W. Keller, Eröffnungsrede zur 72. Hauptversammlung, ebenda Bd.108, 1991, S.11-14.
3 Im übrigen war die Zusammensetzung des Vorstands von Anfang an nicht scharf umrissen und wurde im Interesse der Sache recht häufig geändert, was nicht immer dokumentiert ist.
4 Dennoch stand in einem Merkblatt von 1965, daß die Zugehörigkeit zur ilmenauer Ortsvereinigung „unabhängig von ei-ner eventuellen Mitgliedschaft im Kulturbund“ sei. Dies entsprach nicht den 1962 in Weimar ausgegebenen Hinweisen zur Neugründung von DDR-Ortsvereinigungen, wohl aber dem später stark betonten internationalen Charakter der Goe-the-Gesellschaft. Demgemäß begann 1981 eine ilmenauer Mitgliederversammlung mit einem großem Dank des Vorsit-zenden Prof. Furkert an den Kulturbund, verbunden mit einer Erklärung dazu, „daß die Vorankündigung für diese Ver-sammlung auf einem Briefbogen der Ortsvereinigung Ilmenau mit dem Zusatz ‚im Kulturbund der DDR‘ gedruckt war und die spätere Einladung diesen Zusatz nicht trug.“ – Auch die seither verwendeten Kopfbögen wurden entgegenkom-menderweise vom Kulturbundes finanziert.
5 Aus einem Brief des Ortsvorsitzenden an den 1.Sekretär der SED-Kreisleitung. Dieser wurde mit einem Beitrittsformular beaufschlagt, das ausgefüllt zurück kam. – Zu seinem bald darauf in einer Kreisleitungssitzung gemachten Vorwurf an die Ortsvereinigung, daß „wir mit unseren Veranstaltungen nicht in die Wohnbezirke gingen, … stellen die Vorstandsmit-glieder fest, daß unsere Veranstaltungen nicht im Rahmen der Nationalen Front stattfinden“, laut Protokoll vom November 1964.
6 V. Fritsch u. K. Kampfhenkel, „Untersuchungen am Schacht ‚Neuer Johannes‘ in Ilmenau“, Wiss. Zeitschr. der TH Ilmenau Bd.17 (1971) H.2. Von diesem Artikel wurden 300 Sonderdrucke durch die Ortsvereinigung verteilt.
7 W. Ehrlich, „Ilmenau, Gabelbach, Stützerbach (Die Goethe-Gedenkstätten und der Wanderweg ‚Auf Goethes Spuren‘)“, 6. Auflage Weimar 1980.
8 Bis 1989 wurden, unter Beschränkung auf die DDR, 9 Vorträge gehalten, wobei die vielfach vernachlässigten ökologischen Gesichtspunkte besonderes Interesse fanden. Diese konnten bis zu einem gewissen Grade auch in einem abstrakteren Artikel über „Goethes Wissenschaft von der herrlich leuchtenden Natur“ berücksichtigt werden: Goethe-Jahrb. Bd.106, Weimar 1989, S.106-118. Insgesamt waren es bis 1995 mehr als 20 Vorträge, die u.a. im Sinne touristischer Anregungen für Ilmenau wirksam wurden.
9 Die Stiftung Weimarer Klassik als NFG-Nachfolgerin hat sich 1996 endgültig aus der Trägerschaft des Wanderweges zurückgezogen, der seit längerem im Rahmen der lokalen Tourismusförderung, vor allem durch die Aktivitäten von Gunter Lacroix vom Thüringerwaldverein, unterhalten wird.
10 K. Steenbuck, „Silber und Kupfer aus Ilmenau. Ein Berg-werk unter Goethes Leitung.“ Weimar 1995.